Miss UmweltschutzInterview Forschungstaucher
BLOG

Wissen schaffen

Ein halbes Jahr lang wird Master-Studentin Isabell Kittel künstliche Riffe in Thailand untersuchen. Auf unterwasser.de berichtet sie über ihre Forschung.

Koh Samui und Koh Phangan – da denkt man an Thailand, Inselfeeling, Strände und Palmen, und dem ein oder anderen wird sicher auch Tauchen und Schnorcheln einfallen.

Geht man in den größeren »Städten« der Inseln bummeln, bestätigt sich das Bild: Hotels und Restaurants, Massage Salons, Tattoo Studios, Strandbekleidungsläden, Motoradverleihe, Cafés und Bars säumen die Straßen . Einschlägige Flyer geben bekannt, dass auf Koh Phangan monatlich die Fullmoon Party stattfindet. Ach ja, und die Blackmoon Party. Und fast hätte ich vergessen – zweimal im Monat auch die Halfmoon Party, ganz zu schweigen von etlichen sonstigen Partys im Dschungel. Man möchte meinen, die Insel sei dafür erfunden worden, und nicht andersrum.

Chaloklum, ein Fischerdorf an der Nordseite Koh Phangans, macht im Gegensatz zu den von Partygängern bevölkerten Südseite einen fast schon verschlafenen Eindruck. Dieser kleine Ort wird meine Heimat für die nächsten sechs Monate sein. Wessen Heimat? Darf ich mich vorstellen- ich heiße Isabell und studiere im Masterprogramm »Aquatische Tropenökologie« an der Universität Bremen. Der internationale Studiengang ist, anders als die reine Meeresbiologie, spezialisiert auf die Küstenplanung und Ressourcenmanagement unter Einbezug sozioökonomischer Aspekte in den Tropen. Viele der spezialisierten Kurse finden über das Zentrum für marine Tropenökologie (ZMT) statt. Das dritte Semester ist vorgesehen für die Feldarbeit und Datenaufnahme im tropischen Ausland, weswegen ich nun unter Palmen, bei exotischem Vogelgezwitscher und mit Blick aufs Meer in einer Hängematte meinen ersten Blogeintrag schreibe. Ja, nach zwei anstrengenden Semestern sind tatsächlich noch ein paar Tage Urlaub drin, bevor es dann auch schon im Forschungscenter COREsea losgeht.

Also, nur kein Neid - ich muss mich sehr bald schon wieder von der Hängematte verabschieden.

Zur Person

Isabell Kittel
Biologin & Master-Studentin

Isabell Kittel hat einen Bachelor im »Management natürlicher Ressourcen« und studiert »International Studies in Aquatic Tropical Ecology« an der Universität Bremen. Derzeit verbringt die 26-Jährige ihr Praxissemester auf Koh Phangan, Thailand, zur Datenerhebung für ihre Masterarbeit. Als »Fan aller Unterwasserlebewesen« will sie »Wissenschaft vor verschlossenen Türen bewahren«.

Also zum eigentlichen Grund meines Daseins auf Koh Phangan.

Die einst hochproduktiven Korallenriffe, die Schutz und Nahrung für die Fische bieten, werden durch zerstörerische Fangmethoden, ungehinderten Zufluss von Nährstoffen aus der Landwirtschaft, Verunreinigung durch Fäkalien und sonstige Verschmutzung sowie Verbauung der Küstenregionen extrem dezimiert. Die Liste der menschlichen Einflüsse ist lang. In der Andamanensee sind bereits 80 Prozent, im Golf von Thailand 50 Prozent der Riffe verloren oder weisen einen schlechten Status auf. Die übrigen Faktoren wie die Übersäuerung der Meere und Erwärmung der Ozeanoberflächen, alles Folgen des menschengemachten Klimawandels, führen seit 30 Jahren zu immer häufigeren und größeren Ereignissen der Korallenbleiche und anderen Krankheiten. Viele Lebewesen sind durch die Co-Evolution eng im Ökosystem Korallenriff eingebunden. Ihnen nehmen wir Menschen also die Grundlage allen Überlebens weg – und nicht nur ihnen, auch uns selbst.

Thailand verzeichnet seit den 1970ern einen immensen Rückgang von Fischereiressourcen sowohl in der Andamanensee als auch im Golf von Thailand. Das Königreich hatte bis dato die höchsten Fänge von Riff-Fischen in Südostasien vorzuweisen. Der technische Fortschritt der Fangmethoden und die Zunahme großer Fischereiboote führte zu destruktiverer Fischerei in immer tieferen Gewässern, sodass es schließlich zu einer Überfischung der beiden Meere kam. Um dem Entgegenzuwirken, startete Thailand im Jahre 1978 unter der Fischereiabteilung das Artificial Reefs Program mit dem Hauptanliegen, die Fischereiproduktion zu erhalten und die Ressourcen zu schützen.

Das aktuelle Heft
Vielseitiger Archipel - Tipps fürs Island Hopping

Künstliche Riffe werden weltweit eingesetzt, um Verlust von hartem Substrat, also den Skeletten der Hartkorallen, entgegenzuwirken, und so gefährdeten Fischpopulationen wieder ein Habitat zu bieten. Im Idealfall besiedeln allerhand Bodenlebewesen sowie Invertebraten, Mollusken und natürlich Fische die künstlichen Strukturen und es bildet sich nach ein paar Jahren ein Ökosystem gleich oder ähnlich der Korallenriffe. Die Realität ist oftmals leider anders und sehr ernüchternd. Man denke beispielsweise an das Osborne-Riff vor Fort Lauderdale, Florida. Gebaut aus Beton und abertausenden Autoreifen, gaben letztere nicht nur giftige chemische Substanzen ins Meerwasser ab, sondern wurden durch Welleneinwirkung losgerissen und zerstörten auch noch umliegende Korallenriffe.

Auch Thailand hatte zu Beginn mit Rückschlägen zu kämpfen, erkannte aber dass es nötig war, stabilere Materialien zu verwenden. Bis heute werden sowohl in der Andamanensee als auch im Golf von Thailand immer wieder neue künstliche Riffe installiert. Nun gilt es herauszufinden, ob die künstlichen Riffe denn auch effektiv sind, denn es gibt kritische Stimmen in der Wissenschaftswelt.

Hier setzt nun die Arbeit von COREsea (Center for Oceanic Research and Education, South East Asia) an – eine non-profit Organisation die es sich zum Ziel gemacht hat, nicht nur die marine Umwelt zu schützen, sondern auch allen die Möglichkeit zu geben, sie zu studieren und dieses Wissen dann weiterzugeben. Leider ist es uns versicherungsbedingt nicht möglich, für unsere eigenen universitären Projekte zu tauchen, so sind COREseas Volontäre, meist ebenfalls Bachelor- oder Masterstudenten aus aller Welt, uns eine wertvolle Hilfe, indem sie für uns die Daten aufnehmen.

Mit Hilfe von COREsea werde ich also das nächste halbe Jahr künstliche Riffe untersuchen – und Ihr, liebe unterwasser-Leser, werdet einen Einblick in die Forschungsarbeit und das Leben angehender Tropenökologen »im Feld« erlangen.

In ihrem nächsten Blog erklärt Isabell die genaueren Inhalte ihrer Masterarbeit und wirft einen ersten Blick auf ein künstliches Riff – eine ausgediente Ölplattform.